Platz für den öffentlichen Raum 

Der öffentliche Raum gewinnt an Bedeutung. Das liegt vorwiegend am spürbaren Wandel des Klimas aber auch an immer kleiner werdenden Wohnungen bei steigenden Mieten. Dabei wächst auch das Interesse an Planungsprozessen und das Bedürfnis zu partizipieren – was sich auch an der Entstehung von Bewegungen wie Guerilla Gardening, Grätzl Oasen, Nachbarschaftsgärten etc. zeigt. Für die Stadtentwicklung ist dabei wichtig, die Gratwanderung zwischen Bürgerbeteiligung und aufgesetzter Planung zu meistern: Es darf weder zu einer Bevormundung von oben, noch zu blindem Befolgen der (lautesten) Zurufe aus der Bevölkerung kommen. Die komplexen Zusammenhänge, die eine funktionierende Stadt und einen gelungenen öffentlichen Raum ausmachen, sind den meisten Menschen gar nicht bewusst.

Das Korsett, in dem sich Planer bewegen ist überraschend eng. Technische Rahmenbedingungen wie Bestandsleitungen, Feuerwehrzufahrten und -aufstellflächen sowie gesetzliche und politische Vorgaben lassen wenig Gestaltungsspielraum. Dabei zeichnet sich eine gute Planung vor allem dadurch aus, dass sie die unterschiedlichen Entwicklungszeiträume berücksichtigt und für die Zukunft gedacht ist. Das betrifft ästhetische, ökonomische und ökologische Aspekte.

Gleichzeitig muss gute Planung so flexibel sein, dass sich die Nutzungen in der Umgebung und die Nutzung des öffentlichen Raumes selbst auch verändern kann. Ein gut funktionierender öffentlicher Raum fällt auf den ersten Blick oft gar nicht auf, sondern wird als selbstverständlich hingenommen. Es sind die Problemstellen wie Hitzeinseln, fehlende Sitzgelegenheiten, Belagsunebenheiten, Nutzerkonflikte und Müllansammlungen die Freiräume erst ins Zentrum der Betrachtung rücken.

Und genau das ist die große Herausforderung der Planung: Es gilt, Räume für alle zu schaffen, die niemanden benachteiligen, die mikroklimatisch wirksam, klimawandelresistent und die nächsten hundert Jahre ästhetisch anspruchsvoll sind.

Durch die Klimakrise sind mutige Projekte gefragt. Politik und Verwaltung müssen angehalten werden, alles zu versuchen, um unsere Lebensräume lebenswert zu erhalten. Dabei müssen Strukturen verändert und die Stadt neu gedacht werden. Es gilt gezielt zu experimentieren und tradierte Grenzen zu überschreiten. Die Vielzahl an verantwortlichen Dienststellen einer Stadt müssen co-kreativ agieren. Leitungsführungen, Feuerwehraufstellflächen und Erhaltungsgrenzen waren viel zu lange die maßgeblichen Gestaltgeber. Ab sofort muss Klimaresilienz die treibende Kraft sein. Dafür braucht es politisches Commitment und Umsetzungswillen. Freiraumbudgets müssen ganzheitlich gedacht und aufgestockt werden. Gleichzeitig müssen Hürden abgebaut werden damit Grätzlfreiräume von Nutzergruppen angeeignet und selbst gestaltet werden können. Die derzeitige Auslegung der Wegehalterhaftung bremst mit ihrem „zero-risk“-Verständnis maßgeblich den dringend notwendigen Transformationsprozess.

Um das zu bewerkstelligen bedarf es der intensiven Zusammenarbeit von Stadt- und Raumplanern, Architekten, Landschaftsarchitekten und Künstlern, von Tiefbau, Hochbau, Garten- und Landschaftsbau, von Politik und Wirtschaft, von Gemeinden und Magistraten. Für die Bürger bedarf es einer Aufklärung, Einbindung und Vermittlung von Inhalten und Zusammenhängen, um eine Sensibilität für Planungsprozesse zu schaffen.

Es bedarf aber auch einer gewissen Zeit. Selbst nach der baulichen Fertigstellung entwickeln sich Projekte weiter – Bäume müssen Wurzeln schlagen und Stauden Raum greifen um zu wirken. Ein öffentlicher Raum ist niemals fertig. Er ist immer im Wandel und verändert sich je nach Jahreszeit, Alter und Nutzung. Er ist lebendiger Lebensraum. Er ist ein Spiegel der Gesellschaft. Er ist das Gesicht einer Stadt.

Jakob Kastner ist Landschaftsdesigner (war an der Planung des Maria-Trapp-Platzes und des Hannah-Arendt-Parks in der Seestadt beteiligt)